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Heinz-Ludwig Radermacher in den Ruhestand verabschiedet

Auf dem Höhepunkt seines Schaffens beschäftigte sich Johann Wolfgang von Goethe immer wieder mit der Frage, woher Dichter, Philosophen und Gelehrte die Kraft für ihre Arbeit gewinnen. Ihren Niederschlag fanden diese Überlegungen in dem Drama Torquato Tasso. Goethe legt Tasso, dem humanistisch umfassend gebildeten Dichter, dabei große Worte in den Mund:
 
„Mit meinen Augen hab ich es gesehn,
Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne.
Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben. [...]
Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte,
Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind.
Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte
Zu bleiben und im Stillen fort zu wirken,
Als das Geheimnis einer edlen Liebe,
Dem holden Lied bescheiden anvertraut.
(Goethe, Torquato Tasso II, 1, V. 1100ff.)

 
Die Begeisterung, die aus diesen Versen spricht, die Liebe zu den alten Meistern, dem „Urbild jeder Tugend“, und die Kraft, die der Humanist aus ihnen zu schöpfen weiß, sollten – im Kleinen – auch einen jeden guten Lehrer, der sich mit der antiken Welt, ihren Sprachen und ihrer Geschichte befasst, leiten: „Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte“. Genau so dürfen auch und gerade heute Altphilologen und Historiker mit den Dingen, die ihnen „bescheiden anvertraut“ sind, umgehen: Sie sollen lebendige Kraftquelle der fachlichen und pädagogischen Arbeit sein. Nicht „Schatten“ und kümmerlicher Rest toter Materie, sondern Spuren und bis heute gültige Zeugnisse lebendiger Erinnerung und erinnerten Lebens.
 
Genau dies gelang und gelingt Heinz-Ludwig Radermacher, Lehrer für Latein und Altgriechisch, in einer so einmaligen Weise: Er lebt sein Fach und versteht es, genau diese Freude am Erbe der antiken Welt an seine Schüler zu vermitteln. Radermacher kann und konnte begeistern, weil er selbst begeistert ist. Mit seinen großen fachlichen Qualitäten, seinem pädagogischen Geschick, einer großen Herzlichkeit und seiner warmherzigen und persönlichen Art gehört er ganz zweifellos zu den Kollegen, die ihre Schüler besonders nachhaltig geprägt haben.
 
Nach langen Dienstjahren in Ramstein geht dieser so verdiente Kollege nun in den Ruhestand.
 
Damit verlässt ein Lehrer das Reichswald-Gymnasium, der seinen Fachbereich ganz entscheidend geprägt hat. Einmalig und bleibend sind dabei vor allem Radermachers Engagement zur individuellen Förderung seiner Lateinschüler. So hat der Fachbereich mit seiner maßgeblichen Initiative ein engmaschiges und vielfältiges Netz an unterschiedlichen Förderangeboten für alle Alters- und Niveaustufen geknüpft: Von der erfolgreichen Begleitung der besten Schüler bei den altsprachlichen Wettbewerben bis zu dem einmaligen Unterstützungsprogramm „Schüler helfen Schülern“, bei dem ältere Lateinschüler ehrenamtlich Nachhilfeunterricht für jüngere Mitschüler anbieten und dabei Spenden für die Partnerschule des RWG in Bangladesch sammeln. Die Betreuung und Schulung der lehrenden Schüler und zusätzliche Lektüre- und Übungsstunden, die allen Interessierten offenstanden, um all das kümmerte sich Heinz-Ludwig Radermacher ehrenamtlich und über seine Lehrverpflichtungen hinaus. Patrick Jacoby, Vorsitzender der Fachschaft Latein, und Schulleiterin Dr. Sonja Tophofen dankten ihrem Kollegen für alles Geleistete und seinen großartigen Einsatz für die Schule. Sie durfte im Rahmen der Verabschiedung einen neuerlichen Scheck an das Hilfsprojekt MATI überreichen. Er zeigt und lebt wie kein Zweiter, wie lebendig und reich die Sprachen und Mythen der antiken Kulturen bleiben – „Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind“.